Einzigartiger Fund: Zum ersten Mal gelang es Forschern, echte 3D-Mikrofossilien aus der Zeit von vor ca. 1,5 Mrd. Jahren zu finden. Bei bisher gefundenen Lebensspuren diesen Alters handelte es sich meist um organische Materialüberreste, die bestimmte Anomalien in Isotopenmustern aufwiesen, die auf biogenen Ursprung hindeuten. Die neuen Funde enthalten hingegen auch Fäden nach Art von Pilzhyphen, knollenartige Körper und tentakelähnliche Strukturen. Das Geheimnis ihrer guten fossilen Konservierung scheint eine Ummantelung aus Aluminiumsilikat zu sein, die die heute fossilen Organismen frühzeitig umschloss.
Bisher erfasste Relikte aus der Frühzeit der Evolution, zu denen auch biogene Substanzen wie die Protosterole gehören, lassen darauf schließen, dass die Entwicklung des Lebens auf der Erde vor fast 4 Mrd. Jahren begann. Von Einzellern aus dieser frühen Zeit fehlte bisher jedoch der direkte Nachweis als körperliches Fossil.
Die nun entdeckten Fossilien in dreidimensionaler Erhaltung stammen aus der Volyn-Mine in der Ukraine. Diese liegt in der Nähe der Stadt Shitomyr, ca. 100km westlich von Kiew.
Nach Aussage von Prof. Dr. Gerhard Franz, dem Erstautor der beschreibenden Studie, basierte die Entdeckung auf einem Zufall. Das ursprüngliche Ziel war die Untersuchung von Mineralien dieser Mine, wie Beryll und Topas. Bei der näheren Betrachtung der Kristalle wurden unter dem Elektronenmikroskop seltsame Faserstrukturen sichtbar. Auch bei der Begutachtung weiterer Minerale von dort kamen immer mehr Mikrostrukturen zum Vorschein, darunter auch schalen-bzw. kugelartige Formen, zum Teil mit so etwas wie Tentakeln.
Umfangreiche chemische Analysen der Strukturen umfassten die Auswertung von Kohlenstoff- und Stickstoffisotopenmustern sowie Infrarotspektroskopie. Die Ergebnisse führten zum Nachweis, dass es sich bei den Formen um Lebewesen gehandelt haben muss. Die Isotopendatierung ergab ein Alter von mindestens 1,5 Mrd. Jahren. Per Infrarotspektrometrie konnte Chitosan in einigen fadenartigen Strukturen nachgewiesen werden, ein natürliches Biopolymer, das aus Chitin durch Deacetylierung entstehen kann. Es kommt in der Natur natürlich vor, z. B. in Zellwänden von Pilzen.
Wenn diese Strukturen tatsächlich Fossilien sind, stellt sich als Nächstes die Frage nach ihrer Einordnung in die Lebewelt. Bei einer Dicke von 10 bis 200 µm sind einige mit fast 1 cm Größe schon ohne Mikroskop sichtbar. Sie sind vergleichsweise komplex mit Unterstrukturen, sodass es sich wahrscheinlich nicht um fossile Bakterien handelt, sondern um Eukaryoten, also Lebewesen mit Zellkernen, eventuell sogar um Mehrzeller.
Eine Besonderheit der Fossilien besteht darin, dass sie nicht einem vorzeitlichen marinen Milieu entstammen, sondern den Tiefen einer alten Landmasse. Sie sollten somit in Poren und Hohlräumen an den Oberflächen tiefer Gesteine gewachsen sein., und zwar als Bestandteil von Biofilmen. Die Forscher konstatieren, dass schon damals, vor ca. 1,5 Milliarden Jahren, komplexe Lebensformen die kontinentale tiefe Biosphäre besiedelten und sich analog ähnlichen heutigen Lebensgemeinschaften von Gesteinsbestandteilen ernährten. Ihre Energie schöpften sie wohl aus geochemischen Prozessen.
Für die so gute fossile Erhaltung liefert der hohe Fluorgehalt des Granites in der Volyn-Mine eine wahrscheinliche Erklärung: Mit dem Fluor wurde unter den damaligen Bedingungen (Wasser, Hitze, Druck) womöglich Flusssäure (Fluorwasserstoff, HF) gebildet, die mit den Mineralien raegierte und diese anlöste. Bei oder vor dem Kontakt mit den Organismen müssen dann wohl Aluminiumsilikate ausgefallen sein, die sich als schützender Mantel von nur einigen Mikrometern Dicke um die Körper legte.
Laut Prof. Franz könnten weitere Untersuchungen bzw. Funde noch mehr wichtige Informationen liefern, vor allem auch über noch unbekannte Lebensformen in der Tiefe der Kontinente, über Biotope mit extremen Bedingungen oder sogar aufLeben auf anderen Planeten.
Quelle: Scinexx, Technische Universität Berlin
Biogeosciences, 2023; doi: 10.5194/bg-20-1901-2023