Archaeopteryx ist ein ikonenhaftes Fossil mit geflügelten Federn aus dem deutschen Oberjura. Die Frage, ob dieser Dino-Vogel ein aufwändig befiederter Bodenbewohner oder ein Gleiter oder gar ein aktiver Flieger war, faszinierte die Paläontologen über viele Jahre. Der Forscher Dennis Voeten und seine Kollegen vom ESRF (European Synchrotron Radiation Facility) in Grenoble (Frankreich) haben nun neue Daten von 3 Archaeopteryx- Exemplaren ausgewertet. Sie fanden heraus, daß die Form der Flügelknochen dieser vorzeitlichen Kreaturen zum gelegentlich notwendigen aktiven Fliegen dienten, aber nicht für die fortschrittlichere Art des Fliegens, wie der heutiger moderner Vögel.
War Archaeopteryx in der Lage zu fliegen? Und wenn ja, wie? Obwohl es zum Allgemeinwissen zählt, daß die heutigen Vögel von den Dinosauriern abstammen, bleiben viele Fragen bzgl. ihrer frühen Evolution und der Entwicklung des Vogelflugs unbeantwortet. Traditionelle Forschungsmethoden konnten somit nicht klären, ob Archaeopteryx flog oder nicht.
Durch Sondierung von Archaeopteryx-Fossilien unter Anwendung der Synchrotron-Mikrotomographie konnten Dr. Voeten und seine Ko-Autoren ein neues Licht auf diese frühesten aller Vögel werfen.
Das Verhalten ausgestorbener Tiere zu rekonstruieren stellt Paläontologen vor eine beträchtliche Herausforderung -speziell, wenn es um so geheimnisvolle Spezies wie Archaeopteryx geht. Die mosaikartige Anatomie dieser gut erhaltenen Fossilien-Spezies illustriert die enge Verwandschaft zwischen Raubdinosauriern und Vögeln.
Die meisten modernen Vogelskelette sind für Hochleistungsflug optimiert und hoch spezialisiert.
Viele ihrer charakteristischen Anpassungen, z.B. speziell die der Schulter, fehlen bei Archaeopteryx.
Obwohl seine befiederten Flügel denen der modernen Vögel , die jeden Tag über unseren Köpfen fliegen, ähneln, ist die primitive Schulterstruktur inkompatibel mit deren Flügelschlagzyklus.
„Die Querschnittsarchitektur der Gliederknochen ist stark beeinflußt durch die evolutionäre Adaption in Richtung optimaler Festigkeit bei minimaler Masse, und die funktionelle Anpassung an die Kräfte, die sie während des Lebens erfahren“, sagt Professor Jorge Cubo von der Sorbonne-Universität in Frankreich.
Dr. Sophie Sanchez von der Universtät von Uppsala, Schweden, ergänzt: “Durch statistischen Vergleich der Knochen lebender Tiere in heute beobachtbaren Habitaten mit denen kryptischer Fossilien ist es möglich, neue Aspekte in eine alte Diskussion zu bringen.“
Archaeopteryx-Skelette liegen in Kalksteinplatten konserviert vor. Diese enthüllen nur einen Teil ihrer Morphologie. Da diese Fossilien aber zu den wertvollsten der Welt gehören, sollte die Anwendung invasiver Untersuchungsmethoden zur Aufdeckung interner versteckter Strukturen wohl überlegt sein.
„Glücklicherweise ist es heute nicht mehr unerläßlich, wertvolle Fossilien zu zerstören“, sagt Dr. Paul Tafforeau von der European Synchrotron Radiation Facility. „Die außergewöhnliche Empfindlichkeit von Röntgentechniken zur Untersuchung großer Teile erlaubt virtuelle 3D-Konstruktionen von außergewöhnlicher Qualität.“
Die Röntgen-Scan-Daten von Archaeopteryx´ Flügelknochen enthüllten unerwartet wichtige Angleichungen an jene moderner flugfähiger Vögel, im Gegensatz zu seinem Schultergürtel.
„Wir konzentrierten uns auf den mittleren Teil der Armknochen, weil wir wußten, daß diese Sektionen bei Vögeln klare für den Flug typische Merkmale enthalten“, sagt Dr. Emmanuel de Margerie vom CNRS (Centre National de la Recherche Scientifique), Frankreich.
„Wir bemerkten sofort, daß bei Archaeopteryx die Knochenwände viel dünner waren als die der Knochen von erdgebundenen Dinosauriern, und daß sie stark wie normale Vogelknochen aussahen“, sagte Dr. Voeten.
„Die Datenanalyse lieferte darüber hinaus, daß die Knochen von Archaeopteryx am besten zu den von Vögeln wie Fasanen übereinstimmen, die das aktive Fliegen nur gelegentlich nutzen, um Barrieren zu überqueren oder Angreifern zu entgehen, aber nicht zu denen, die schweben oder gleiten, so wie viele Greifvögel und manche Seevögel, die für den dauerhaften Flug optimiert sind“.
„Wir wissen, daß die Gegend um Solnhofen in Südostdeutschland ein tropischer Archipel war, und solche eine Umwelt paßt sehr gut zum „Insel-Hopping“ oder für kurze Flüge zum Entkommen“, sagte Dr. Martin Röper vom Bürgermeister-Müller-Museum und der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie, Bayern.
„Archaeopteryx teilte sich den jurassischen Luftraum mit primitiven Flugsauriern, die sich am Ende zu den gigantischen Pterosauriern der Kreidezeit entwickeln sollten. Wir fanden ähnliche Unterschiede in der Flügelgeometrie zwischen primitiven und fortgeschrittenen Pterosauriern wie zwischen aktiv fliegenden und gleitenden Vögeln”, sagte Dr. Vincent Beyrand von der European Synchrotron Radiation Facility.
Die Forschungsarbeit wurde im Journal Nature Communications publiziert.
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Dennis F.A.E. Voeten et al. 2018. Wing bone geometry reveals active flight in Archaeopteryx. Nature Communications 9, article number: 923; doi: 10.1038/s41467-018-03296-8