Ein internationales Forscherteam analysierte jüngst 535 Proben von Vergesellschaftungen eiszeitlicher Säugetiere. Die Proben stammen aus vielen Teilen der Arktis und repräsentieren die letzten 50.000 Jahre.
“Wissenschaftler streiten seit 100 Jahren darüber warum Mammuts ausgestorben sind,” laut Professor Eske Willerslev, Forscher an der University of Cambridge und Direktor des Lundbeck Foundation GeoGenetics Centre an der Universität von Kopenhagen. Die Tiere hatten Millionen von Jahren überlebt, fielen keinem der erdgeschichtlichen Klimawandel zum Opfer, doch als sie Seite an Seite mit dem Menschen lebten, existierten sie nicht mehr lange. So lag es nahe, dass der Mensch ihr Verschwinden verschuldet hätte und sie zu Tode gejagt wurden. Das Forscherteam zeigt nun, dass nicht die reine Änderung der klimatischen Bedingungen selbst das Problem war, sondern deren Geschwindigkeit: “Die Mammute waren nicht fähig, sich schnell genug anzupassen, als die Landschaft sich dramatisch umformte und ihre Nahrung damit seltener wurde. Als das Klima sich erwärmte, übernahmen Bäume und Sumpfpflanzen und ersetzten das Grasland-Habitat der Mammuts.”
Ein weiteres Argument für diese Schlussfolgerung ist, dass es damals überall Tiere gab, die leichter zu jagen waren als die riesigen Wollhaarmammuts (Mammuthus primigenius) – diese waren gefährlich mit ihrer Größe bis zur Höhe eines Doppeldeckerbusses.
Trotz der Kälte gedieh eine reiche Vegetation während der Kaltzeiten und hielt die mannigfaltigen Tierarten am Leben. Gras, Blumen, kleine Sträucher und andere Pflanzen wurden von den vegetarisch lebenden Mammuts gegessen, die ihre Stoßzähne vermutlich benutzten um den Schnee beiseite zu schaufeln und mit ihren Rüsseln u.a. zähe Gräser ausrissen. Mammute waren u.a. so groß, weil sie große Mägen brauchten, um das Gras zu verdauen. Während der Eiszeiten, unter kalten und schneereichen Bedingungen, gediehen diese großen Tiere gut, ähnliches gilt für Rentiere und Wollhaarnashörner.
Mammuts konnten während ihrer Lebenszeit Strecken zurücklegen, die in der Summe dem doppelten Erdumfang entsprachen. Der Fossilbericht zeigt, dass sie auf allen Kontinenten lebten außer in Australien und Südamerika.
Bekannt war, dass einzelne Populationen sogar das Ende der letzten Eiszeit jenseits der Küsten von Sibirien und Alaska überdauerten – auf der Wrangelinsel und der St. Paul-Insel. Beide Populationen sind – trotz der geographischen Isolation – eng miteinander verwandt. Die neueste Forschung zeigt nun, dass sie tatsächlich auch andernorts länger überlebten.
“Die letzte Eiszeit endete vor 12000 Jahren, dann begannen die Gletscher zu schmelzen und das Verbreitungsgebiet der Herden zu schrumpfen,” so Dr. Yucheng Wang, Forscher an der zoologischen Fakultät der University of Cambridge. “Man dachte, dass die Mammuts damit auszusterben begannen, aber wir fanden, dass sie tatsächlich über die Eiszeit hinaus in verschiedenen Regionen der Arktis bis ins Holozän überlebten – also bis in das Zeitalter, in dem wir gegenwärtig leben, das ist weitaus länger als Wissenschaftler bisher dachten.” Das Ökosystem veränderte sich , mit dem feuchteren Klima und dem schmelzenden Eis kam es zur Bildung von Seen, Flüssen und Marschen und durch die sich daraus verringernde Biomasse konnten sich Mammutherden nicht halten.
Die Forscher fassen zusammen, dass der Klimawandel, speziell der damit verbundene Niederschlag, den Wechsel in der Vegetation bewirkte und der Mensch darauf nach allen Modellrechnungen keinen Einfluss gehabt hat.
Die Ergebnisse der Teamarbeit erschienen im Journal Nature.
Y. Wang et al. Late Quaternary dynamics of Arctic biota from ancient environmental genomics. Nature, published October 20, 2021; doi: 10.1038/s41586-021-04016-x
In der Geowissenschaftlichen Sammlung der Universität Bremen werden zahlreiche Mammutreste aufbewahrt – aus regionalem Interesse ist dabei „Stinti“ sicherlich am bemerkenswertesten. An einem kalten Februarmorgen des Jahres 2006 ging einst die Fundmeldung bei der Universität Bremen ein, dass ein rätselhafter Fund aus den Tiefen der Weser in Bremen gefischt worden sei. Der zunächst als “großer Fischkiefer” identifizierte Fund hatte sich an der Leine einer Stintreuse verfangen. Aufgrund dieser kuriosen Fundgeschichte wurde der Unterkiefer eines Mammuts in der Presse “Stinti” getauft. Im fossilarmen Stadtstaat Bremen wurde das Stück zum Fernsehstar. Während der wissenschaftlichen Aufarbeitung kamen aufgrund von aufsitzenden Meeresbewohnern Zweifel an seiner Bremer Heimat auf, aber nach heutiger Ansicht reicht der Salzgehalt der Weser aus um diesen Aufwuchs zu erklären. Mit fast 39.000 Jahren stammt dieser Mammutknochen aus der Weichsel-Kaltzeit. Es trägt damit nicht zur Geschichte des Aussterbens im Rahmen des oben referierten Forschungsvorhabens bei, aber repräsentiert eine der Blütezeiten der Mammutherden.
Literatur zu „Stinti“
Lehmann, J., Krogmann, M., Hüls, M., 2013. Ein Mammutunterkiefer (Mammuthus primigenius) mit Cirripedier-Bewuchs aus der Weser in Bremen – ein Fall anthropogener Verschleppung? – Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen 47(1), 1-14.
Lehmann, J., 2013. “Stinti” – ein Mammutkiefer am Angelhaken. – Fossilien 30(4), 216-223.