Wie mittlerweile hinlänglich bekannt, schlug vor ca. 66 Mio. Jahren auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán, in der Nähe der heutigen Ortschaft Chicxulub, ein berggroßer Meteorit ein, der maßgeblich zum Massenaussterben an der Kreide-Paläogengrenze (früher: Kreide-Tertiär-Grenze) beitrug.
In den vergangenen vier Jahrzehnten hat es bereits viele Untersuchungen zu den vielfältigen Aspekten dieses Ereignisses gegeben. Eine neue Studie unter der Federführung von Dr. Robert DePalma und seinem Team vom Charles E. Schmidt College of Science an der Florida Atlantic University sowie der University of Manchester kommt nun zu Ergebnissen, welche die Jahreszeit während des Einschlagereignisses einkreisen. Wir erinnern uns: der Impakt verursachte weltweite Verwüstungen und löschte ca. 75% der Lebensformen auf unserem Planeten aus. Unter anderem wurden dabei gigantische Mengen an klimaschädlichen Gasen in die Atmosphäre freigesetzt. Dies löste Kettenreaktionen weiterer zerstörerischer Folgewirkungen aus.
Bisher ungeklärt war die Frage, zu welcher Jahreszeit (Sommer-oder Winterhalbjahr) sich dieser Kataklysmus ereignete. Was angesichts der Größe dieses schwerwiegenden Ereignisses auf den ersten Blick nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint, könnte sich doch als wichtig erweisen. Laut Dr. DePalma war das saisonbezogene Timing des Meteoriteneinschlags eine kritische Größe in Bezug auf den Ablauf dieses großen Aussterbens am Ende der Kreidezeit. Schließlich spielt die Jahreszeit eine wichtige Rolle bei vielen biologischen Funktionen bezüglich Ernährung, Reproduktionsverhalten, Interaktionen zwischen Wirtsorganismen und deren Parasiten sowie Winterschlaf und anderem. Daher überrascht es nicht, dass die Schwere der Impaktfolgen auch eine Funktion der Jahreszeit sein könnte.
Dr. DePalmas Team untersuchte in seiner Forschungsarbeit Fossilien der Tanis-Lokalität im Südwesten von Norddakota., USA. Die Besonderheit dieser Lokalität ist die Fülle fossiler Fische, die offenbar direkt nach dem Asteroideneinachlag ums Leben kamen. Ein wichtiges Indiz dafür ist das Vorkommen von Mikrotektiten, d.h. aus dem Einschlag herrührenden kleinen Partikeln geschmolzenen und zu Glas erstarrten Gesteins in den Kiemenreusen aller dort gefundenen Fischfossilien.
Für die Untersuchungen kamen u.a. hochmoderne chemische und physikalische Methoden zum Einsatz.
So erbrachte die Auswertung von Struktur und Muster der Wachstumslinien („Jahresringe“) der fossilen Fischknochen die Erkenntnis, dass alle untersuchten Individuen während ihrer Wachstumsphase in der Frühjahr-Sommer -Saison gestorben sein mussten.
Außerdem ergab die Isotopenmuster-Analyse der Wachstumsstreifen einen mit dem Jahresverlauf einhergehenden oszillierenden Wechsel der Isotopenverhältnisse. Diese Wechsellagen endeten ebenfalls mit dem für die in der Frühjahr-Sommer-Periode stattfindende Wachstumsphase typischen Muster.
Für die Untersuchung der Fische im Jugendstadium kam ein schnell scannendes Synchrotron-Röntgenfluoreszenzgerät („SRS-XRF“) modernster Art zum Einsatz. Mit Hilfe dieser Methode läßt sich die Zusammensetzung nach Anteilen chemischer Elemente bestimmen. Mit Hilfe der Ergebnisse ließen sich die Ablagerungen bestimmten Jahreszeiten zuordnen. Auch hier sprachen die Resultate für die Frühjahrs-bzw. Sommerzeit zum Todeszeitpunkt.
Unter der Annahme, dass die Wachstumsrate heutiger Fische sich nicht wesentlich von der der untersuchten fossilen Exemplare unterscheidet, ließ sich für die jüngsten und kleinsten Exemplare der Zeitraum zwischen Geburt und Tod abschätzen. Der Abgleich mit den bekannten modernen Laichzeiträumen bestätigte ebenfalls, so wie alle zuvor erwähnten Verfahren, die Frühjahr-Sommer- Saison als Zeitraum für die Ablagerungen in der Tanis-Region, direkt an der Kreide-Paläogen-Grenze.
Die Studie wurde in Scientific Reports veröffentlicht.
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R.A. DePalma et al. 2021. Seasonal calibration of the end-Cretaceous Chicxulub impact event. Sci Rep 11, 23704; doi: 10.1038/s41598-021-03232-9
In der Geowissenschaftlichen Sammlung der Universität Bremen wird unter anderem ein Gesteinsstück aufbewahrt, welches die erwähnten Mikrotektite enthält – jedoch nicht aus Norddakota, sondern aus unmittelbarer Nähe zum Einschlagkrater auf der Yukatán-Halbinsel. Gesammelt hat das Prof. Jens Lehmann während einer Exkursion in Arroyo el Mimbral in Tamaulipas, im Nordosten Mexikos im Juli 1998. Auf dem Foto hält er seine Hand auf die entsprechenden Gesteinsschichten mit den Einschlagprodukten. Das graue Gestein im unteren Bilddrittel ist den unbeeinflussten Kreideschichten zuzuordnen.