Eine Analyse der ersten dreidimensional erhaltenen Schädel und Skelette der ausgestorbenen Schlange Najash rionegrina zeigt, dass es in der Kreidezeit vor ca. 100 Mio. Jahren Schlangen gab, die im Gegensatz zu allen ihren Nachfahren noch ein Jochbein, eine Art Wangenknochen, besaßen, und dass Schlangen während der ersten 70 Mio. Jahre ihrer Evolution noch Reste von Hinterbeinen besaßen.
Die Evolution des Schlangenkörpers hat Forscher über lange Zeit gefesselt. Sie ist eines der dramatischsten Beispiele für die Anpassungsfähigkeit von Wirbeltierkörpern. Bis heute hat die begrenzte fossile Überlieferung das Verständnis für die frühe Evolution der Schlangen behindert.
“Schlangen sind bekanntlich beinlos, aber dies gilt auch für einige Eidechsen,” meint Dr. Alessandro Palci, Forscher an der Flinders University.
“Was Schlangen wirklich besonders auszeichnet, ist ihr hoch beweglicher Schädel, der ihnen das Schlucken großer Beutestücke erlaubt.”
“Für lange Zeit fehlten uns detaillierte Informationen zum Übergang vom relativ starren Eidechsenschädel zum superflexiblen Schlangenschädel.”
“Unsere Ergebnisse untermauern die Idee, dass die modernen Schlangen Vorfahren mit großen Körpern und Mäulern hatten- anstatt der kleinen und im Untergrund wühlenden Formen, wie wir vorher geglaubt haben.,” fügt Dr. Fernando Garberoglio zu, ein Wissenschaftler der Fundación Azara an der Universidad Maimónides.
Dr. Palci, Dr. Garberoglio und ihre Kollegen untersuchten Schädelknochen von Najash rionegrina aus Nordpatagonien (Argentinien) mittels Lichtmikroskop und hochauflösender Computertomographie, um substantiell neue anatomische Daten über die frühe Evolution der Schlangen zu enthüllen.
“Najash hat den komplettesten dreidimensional erhaltenen Schädel von allen vorzeitlichen Schlangen, und dies liefert eine großartige Menge neuer Informationen zur Entwicklung des Schlangenkopfes,” so Dr. Palci.
“Er hat einige, aber nicht alle flexiblen Verbindungen, die man im Schädel heutiger Schlangen findet. Sein Mittelohr ist intermediär zwischen dem von Eidechsen und dem heute lebender Schlangen. Im Gegensatz zu allen modernen Schlangen hat er ein gut entwickeltes Jochbein behalten, welches wiederum an das von Eidechsen erinnert. ”
“Najash zeigt, wie sich Schlangen in inkrementellen Schritten aus Eidechsen entwickelten, genau, wie Darwin es vorhergesagt hat,” fügt Professor Mike Lee von der Flinders University und dem South Australian Museum hinzu.
“Diese Forschungsergebnisse revolutionieren unser Verständnis von Jochbeinknochen in Schlangen und Nicht-Schlangen-Eidechsen,” meinte Professor Michael Caldwell von der University of Alberta.
“Nach 160 Jahren falschen Verständnisses korrigiert dieses Papier diese sehr wichtige Besonderheit, basierend auf empirischen Beweisen, nicht auf Vermutungen. ”
Der von dem Team neu aufgestellte Schlangenstammbaum enthüllt auch, daß Schlangen während der ersten 70 Mio. Jahre ihrer Evolution kleine, aber perfekt ausgebildete Hinterbeine besaßen.
“Die Studie zeigt, daß frühe Schlangen ihre hinteren Gliedmaßen für eine verlängerte Zeitdauer behielten, vor dem Ursprung der modernen Schlangen, die meistenteile komplett ohne Gliedmaßen sind,” so Dr. Garberoglio.
“Diese primitiven Schlangen mit kleinen Beinen waren nicht nur eine evolutionäre Übergangsstufe auf dem Wege zu etwas Besserem,” so Professor Lee.
“Eher hatten sie einen hoch erfolgreichen Bauplan, der mehrere Mio. Jahre überdauerte, und sich aufteilte in eine Vielfalt diverser terrestrisch lebender, wühlender und aquatisch lebender Nischenbewohner“.
Die Ergebnisse wurden im Journal Science Advances publiziert.
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Fernando F. Garberoglio et al. 2019. New skulls and skeletons of the Cretaceous legged snake Najash, and the evolution of the modern snake body plan. Science Advances 5 (11): eaax5833; doi: 10.1126/sciadv.aax5833